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Kryotherapie – mehr als P.e.c.h.

Ein Artikel von Lioba Haderer und Rebecca Groth aus der Fachzeitschrift "praxis ergotherapie", Ausgabe 04/2018.

Mit freundlicher Genehmigung des verlag modernes lernen Borgmann:
Link: www.verlag-modernes-lernen.de

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Leseprobe

Nach akuten Verletzungen im Sport oder in der Freizeit sollte man sich an die P.E.C.H.-Regel halten. Dabei steht P.E.C.H. für Pause, Eis, Compression und Hochlagern. Diese allgemeingültige Regel kennt vermutlich jeder, der mit Sport und Sportverletzungen zu tun hat. Doch was geschieht dabei genau im Gewebe und wie nehmen wir Kälte überhaupt als solche wahr? Bislang sind thermische Anwendungen im therapeutischen Bereich ein heikles und viel diskutiertes Thema. Insbesondere bei Kryotherapien stellt sich die Frage, wann und wie sie gezielt einzusetzen sind und auf welche Anwendungsform es ankommt. Neue Studien zur Kältereizweiterleitung geben Anreize, die Kältetherapie weit über die sogenannte PECH Regel hinaus einzusetzen.

1. Wirkungsweise und Applikationsdauer von Kälte auf das Gewebe

Kälte wirkt auf vielfältige Weise im Gewebe. So wirkt sie sich positiv auf Entzündungen oder Ödeme aus, wenn sie kurz angewendet wird. Auf der anderen Seite wird zugleich die Schmerzwahrnehmung herabgesetzt und eine leichte lokale Anästhesie durch eine verminderte Reizweiterleitung ausgelöst. Der Kältereiz hat zudem Auswirkungen auf die Elastizität von Bindegeweben, die durch die Applikation dieser Kältereize herabgesetzt wird. Eine weitere Wirkung besteht durch den Einfluss auf die Muskulatur und deren Tonus, der durch gezielte Kälteanwendungen reduziert werden kann (Zimmermann & Dawils 2015).

Die Schwierigkeit zur effizienten Nutzung besteht darin, die Kälte genau an die Strukturen heranzubringen, die der Therapeut durch seine Behandlung beeinflussen möchte. Für eine solche gezielte Anwendung gilt es zunächst, die Anwendungsdauer zu definieren. So führt ein kurzer Kältereiz von wenigen bis maximal fünf Minuten zu einer Vasokonstriktion und somit zu einer Ödemreduzierung (Airaksinen

& Rade 2017). Diese Vasokonstriktion vermindert direkt nach einer Verletzung oder OP auch das Einbluten in das Gewebe. Hinzu kommt, dass durch das lokale Absenken der Temperatur um 5° im Gewebe eine Herabsetzung der Nervenleitgeschwindigkeit zu erwarten ist (Mckemy, Nauhausser & Julius 2002), was einer lokalen Anästhesie entspricht.

Diese Kombination im Wirkmechanismus von Kälte auf das Gewebe ist der Grund, warum die sogenannte PECH-Regel in der akuten Entzündungsphase nach einer Verletzung als Mittel der Wahl gilt – wobei die Zielsetzung der Kältetherapie auch in dieser akuten Entzündungsphase variiert. Unmittelbar nach der Verletzung ist eine stärkere Vasokonstriktion erwünscht, um eine Blutstillung im verletzten Gewebe zu erreichen und die Ausbreitung einer Schwellung auf ein möglichst niedriges Maß zu begrenzen. Ist jedoch bereits eine Schwellung entstanden, ist zu beachten, dass man keine komplette Vasokonstriktion mehr erreichen sollte. Es besteht vielmehr das Ziel, eine Vasokonstriktion zu erreichen, bei der die Lymphgefäße optimal arbeiten können und somit eine Erweiterung des Ödems verhindert wird.

Die Dauer der Kryotherapie ist hierbei entscheidend, da es bei einer Überschreitung der Behandlungsdauer von circa drei bis fünf Minuten zu einer reaktiven Hyperämie (Mehrdurchblutung) und somit zum gegenteiligen Effekt kommt. Für eine gezielte Ödemreduzierung wäre dies somit wenig förderlich. Dagegen
gilt ein länger andauernder Kältereiz zur Detonisierung hypertoner Muskulatur als sinnvoll, um über die Verminderung der Nervenleitgeschwindigkeit auf die Vorspannung des Muskels einzuwirken (Airaksinen & Rade 2017). Diese so herbeigeführte Minderung der inter- und intramuskulären Koordination ist jedoch im Übergang zur anschließenden Bewegungsbehandlung hinderlich. Für eine gute Koordination und Beweglichkeit der Muskelfasern nach der Kälteanwendung muss daher zunächst mit Wärme gegengesteuert werden.

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